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Eine Kurzgeschichte von Basmaleh Bazar, Maryam Dustova und Sophia Sahlouf

@lisa.05 schrieb:„Du bist voll hübsch.” Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus und ich bedankte mich bei ihr. Daraufhin antwortete @leon.444 auf Lisas Kommentar: „Guck mal was für Bewegungen sie macht. Ist sie behindert, hahaha?” Unbehagen breitete sich in meinem Körper aus. Trotzdem beschloss ich meinen Live nicht zu beenden und kämpfte schließlich gegen meine Tränen an. Ich musste stark bleiben. Ein neuer Kommentar erschien auf meinem Handydisplay. „Tust du nur so, um Aufmerksamkeit zu bekommen?”, schrieb @leon.444. Sollte ich darauf antworten oder ihn ignorieren? Er war ja nur einer von vielen Hatern, die es nicht besser wussten. Obwohl ignorieren nicht weiterhalf, da er nicht aufhörte und nicht darauf achtete, ob er jemanden mit seinen Worten verletzte. @mimi.55 schrieb: „Warum blinzelst du so komisch?”

@tim.87 schrieb: „Ich würde sowas für Fame nicht machen.”

@sarah.44 schrieb: „Hahaha, so peinlich diese Bewegungen.”

Die Kommentare wurden immer mehr. Ich konnte meinen Augen kaum trauen. All mein Selbstbewusstsein, welches vorhin noch existiert hatte, verschwand und ich beendete den live sofort. Ich warf mein Handy auf den Boden, legte mich ins Bett, zog die Decke über meinen Kopf und fing an zu weinen.

Es klopfte an meiner Zimmertür und ohne ein „Herein” meinerseits platzte mein Bruder in mein Zimmer. „Hey Amira, willst du auch...”, Amir stockte mitten in seiner Bewegung. Er kam langsam zu mir und fragte mich, was los sei. „Nichts. Was soll schon sein?“, gab ich zögerlich zurück. Meine Stimme zitterte noch immer. So musterte er mich schließlich und setzte anschließend eine ernste Miene auf. „Amira, du weißt, dass du immer mit mir reden kannst, oder?", fragte er mich besorgt. Meine Gedanken flogen nur so um mich herum und erdrückten mich beinahe. Wie sollte ich ihm davon erzählen? Ich kriegte doch nicht einmal einen Satz raus, ohne wieder in Tränen auszubrechen. Es war still und eine Anspannung herrschte im Raum. Da ich nicht auf Amirs Frage geantwortet hatte und nur an die Decke starrte, bekam ich nicht mit, wie er sich schon längst auf die Bettkante gesetzt hatte und mich daraufhin fest umarmte. Die Umarmung tat gut und sorgte dafür, dass all meine Emotionen, die sich angestaut hatten, nur so aus mir heraus sprudelten. Ab dem Moment flossen bei mir nur so die Tränen. Nach ein paar Minuten schaffte ich es, meine zitternde Stimme wieder in den Griff zu kriegen. So fing ich an, über den Live zu reden und über die vielen Kommentare, die mich mit meiner Krankheit nur noch schlechter fühlen ließen. Er hörte mir geduldig zu und legte mir schließlich eine Hand auf die Schulter. Mit einer beruhigenden Stimme sagte er: „Amira, ich weiß, es ist schwer und die Beleidigungen sind hart, aber sei anderen ein Vorbild und zeige ihnen deine Stärke. Lass dich nicht von anderen unterkriegen, denn das ist das, was sie erreichen möchten.

Also hilf den Schwächeren und gib ihnen etwas von deiner Stärke ab." Mit diesen Worten ging er zu meiner Zimmertür, schenkte mir noch ein aufmunterndes Lächeln und verließ schließlich mein Zimmer. Ich dachte über Amirs Worte nach, die eine Stärke in mir ausgelöst hatten. Wie konnte ich anderen ein Vorbild sein und ihnen genau das vermitteln, was Amir getan hatte? Social Media machte mir eigentlich schon viel Spaß, nur war die Situation noch nie so eskaliert, wie sie es heute tat. Ich sollte den Hatern nicht die Genugtuung geben und mit meiner Leidenschaft aufhören. Ich nahm meinen Mut zusammen, hob mein Handy wieder vom Boden auf, setzte mich an meinen Schreibtisch, wischte mir die restlichen Tränen aus meinem Gesicht und ging auf Instagram, um eine Story hochzuladen. Ich atmete tief ein und fing an zu sprechen. „Hey Leute, ich heiße Amira und habe das Tourettesyndrom. Ich bekomme viel Hass deswegen, der mich kaputt macht. Ich hätte nie gedacht, dass meine Krankheit je so ein großes Problem in den sozialen Medien werden würde. Ich habe nie offen über mein Tourettesyndrom gesprochen und beschließe hiermit, dies zu ändern. Wie ich den Hasskommentaren entnehmen kann, wissen viele nicht, wie es ist, mit einer Krankheit zu leben. Man ist unsicher, wie andere darauf reagieren könnten und ob man akzeptiert wird, obwohl wir doch alle gleich sind. Ich bin genau so wie ihr und sollte diese Unsicherheiten nicht haben. Deswegen möchte ich anderen helfen und ihnen ein Vorbild sein. Wir sehen uns bald wieder, eure Amira.“

Ich stoppte das Video und lud es hoch. Es fühlte sich gut an und eine Last fiel von meinen Schultern. Ich legte mein Handy beiseite und schaute in den Spiegel. Mein Handydisplay leuchtete auf und da sah ich schon den ersten Kommentar.