Nach unserer Exkursion in die Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar im März 2025 war die Auseinandersetzung mit dem Erlebten noch lange nicht vorbei – doch manche Chancen bieten sich nur einmal. Als Frau Wellmann mir ganz aufgeregt erzählte, dass unsere Bürgermeisterin Gabriela Schäfer uns eingeladen hatte, am 30. Mai 2025 an einem Zeitzeug:innengespräch teilzunehmen, das von der SPD organisiert wurde, war für mich sofort klar: Da will ich dabei sein. Diese Neuigkeit machte natürlich schnell die Runde und wir fanden uns in einer kleinen Gruppe von neun Schülerinnen und Schülern zusammen.

Also machten wir uns an diesem Freitagnachmittag gemeinsam auf den Weg nach Querenburg in die evangelische Kirchengemeinde. Wir waren alle sehr aufgeregt – vor allem, weil wir als „zweitwichtigste Gruppe“ vorgestellt und oft für unser Engagement bewundert wurden – auch wenn man uns zunächst für Jusos hielt. Als Zeitzeug:innen mit dabei waren Friedel Besch, Ingrid und Günter Brakelmann, Klaus Grandt, Siegfried Hofer, Jürgen Mentel, Gisela und Thomas von Roznowski sowie Helmut Wildförster. Natürlich freuten wir uns auch, Gabriela und Axel Schäfer kennenzulernen, die uns sehr herzlich begrüßten und uns willkommen heißen ließen. Unter anderem wurde das Gespräch von Prof. Dr. Nicola Brauch geleitet.
Nun kann ich endlich von dem Gespräch erzählen. Nachdem es Kaffee und Kuchen gegeben hatte und wir uns mit vielen Menschen unterhalten konnten, ging es los. Jede:r der Zeitzeug:innen hatte Zeit, sich kurz vorzustellen und von den eigenen Kriegserfahrungen zu berichten. Besonders im Fokus standen hierbei die Befreiung und der Wiederaufbau – diese Aspekte lernten wir aus ganz unterschiedlichen Perspektiven kennen. Tatsächlich stammen viele der Zeitzeug:innen selbst aus Querenburg – das verlieh den Geschichten noch einmal ganz besondere Blickwinkel.
Wir erfuhren, wie es war, mit dem Nationalsozialismus aufzuwachsen. Ebenso lernten wir, wie es war, von ihm befreit zu werden. Doch war Deutschland wirklich frei? Diese Frage stand zentral im Raum – und es wurde deutlich, dass auch nach dem Krieg das große Leid kein Ende fand. Deutschland war zerstört und hatte nach der Niederlage kaum noch etwas. Viele Menschen verloren ihre Liebsten, und spätestens während der Entnazifizierung stellte sich heraus, dass „Papi“ in einigen Fällen wohl doch kein Held war. Es gab wenig zu essen, die Menschen waren arm. Stichwort: Pellkartoffeln – sie waren in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg ein wichtiges und häufiges Gericht, das vor allem in der Nachkriegszeit, aber auch schon während des Krieges eine große Rolle spielte. Ihre einfache Zubereitung und ihr hoher Nährwert machten sie zu einem idealen Nahrungsmittel in Zeiten von Mangel und Not.
Was uns ebenfalls in Erinnerung geblieben ist: Nach Kriegsende wurde das Thema Hitler und die Nazis in Deutschland totgeschwiegen. Viele Menschen wussten bis zu 15 Jahre später noch nicht, was alles geschehen war. Erst dann begann man, Lehrer:innen zu fragen, was sie im Krieg getan hatten – und die Neugier wurde geweckt.
Mit der Befreiung fanden viele Kinder und Jugendliche auch neue Vorbilder – nämlich unter den amerikanischen Truppen. Abgesehen davon, dass die allermeisten jungen Deutschen keine Ahnung von ihnen hatten, gab es viele Geschenke. Dazu gehörten Süßigkeiten, Cola – aber auch Kondome, die zunächst für Luftballons gehalten wurden.
Der Nachmittag verging schnell. Zum Schluss durften wir noch einige Fragen stellen, denn im Verlauf des Gesprächs waren viele entstanden. Nach kurzem Zögern fragte Mark, wie die Zeitzeug:innen die aktuelle Situation mit steigendem Rechtspopulismus und der AfD empfinden. Schnell wurde deutlich: Es gibt viele Parallelen zu damals – was sehr erschreckend und erschütternd ist. Genauso hatte es damals auch angefangen: Minderheiten wurden stigmatisiert und plötzlich hatte man Angst vor ihnen und ging anders mit ihnen um. Besonders schlimm (und tatsächlich auch fragwürdig) ist jedoch, dass gerade die junge Generation einen so starken Rechtsruck erlebt.
Zum Schluss stellte ich noch die Frage, welche Botschaft uns die Zeitzeug:innen als Jugendliche mitgeben möchten. Ganz klar wurde: Wir müssen Probleme an ihren Ursachen anpacken, um sie wirksam zu bekämpfen. Dieser Gedanke beschäftigt mich bis heute.
Pauline Hay, EF
