hintergrund

Eine integrative Lerngruppe ist eine Schulklasse, in der Kinder mit und ohne Förderbedarf gemeinsam arbeiten. Erstmalig hat unsere Schule in diesem Schuljahr eine integrative Lerngruppe gebildet. Warum eigentlich? In Deutschland gehen noch immer viele (ca. 85%) Kinder mit Förderbedarf in eine Förderschule. 15% dieser Kinder besuchen eine allgemeine Schule. In den kommenden Jahren wird sich diese Verteilung umkehren. Der Deutsche Bundestag hat im Jahr 2009 eine Behindertenrechtserklärung der Vereinten Nationen ratifiziert. Hieraus ergibt sich (auch) für jedes Kind mit einer Behinderung ein grundsätzlicher Rechtsanspruch auf einen Platz in einer allgemeinen Schule. Es ist zu erwarten, dass viele Eltern dieses Recht für ihre Kinder sehr bald einfordern werden.

 

Die Erich-Kästner Schule hat seit Bestehen der Schule immer wieder Kinder mit (unterschiedlichen) Behinderungen aufgenommen. Sie lernten in ganz normalen Klassen. Man nennt so etwas Einzelintegration.

Jetzt sind wir einen Schritt weiter gegangen: Zu Schuljahresbeginn hat die Erich Kästner-Schule eine Klasse als „integrative Lerngruppe“ gebildet. Was bedeutet das konkret? In unserer „integrativen Lerngruppe“

  • lernen Kinder mit und ohne Förderbedarf gemeinsam.
  • haben die Kinder durchgängig zwei Lehrerinnen/Lehrer.
  • werden wir von einer Integrationshelferin unterstützt.
  •  lernen die Kinder unterschiedlich schnell und unterschiedlich viel.
  • arbeiten nur Lehrer, die sich ausdrücklich für diese Aufgabe gemeldet haben.
  • dürfen die Kinder viel miteinander und voneinander lernen.
  • wird zeitweise in zwei Räumen gearbeitet.
  • werden sehr unterschiedliche Lernwege mit unterschiedlichen Methoden/Materialien unterstützt.
  • arbeitet eine ausgebildete Sonderpädagogin mit einer ganzen Lehrerstelle.

Natürlich ergeben sich hieraus umfangreiche Entwicklungs- und Lernaufgaben für unsere Schule. Viele Kolleginnen und Kollegen (weit mehr als in der integrativen Lerngruppe zunächst arbeiten werden) stellen sich zur Zeit diesen Aufgaben. Alle Lehrerinnen und Lehrer der EKS werden im laufenden Schuljahr bezüglich der neuen Aufgaben fortgebildet.

Interessant sind vielleicht auch einige „Nebeneffekte“

  • Trotz der neuen und zusätzlichen Aufgaben berichten in der integrativen Lerngruppe eingesetzte Kollegen von spürbaren Entlastungen während des Unterrichts, die sich natürlich vorrangig durch die Doppelbesetzung ergeben.
  • Die Kollegen der Hans Böckler Realschule starteten zu Schuljahresbeginn ebenfalls mit einer integrativen Lerngruppe. Schon mehrfach haben wir uns wechselseitig „über die Schultern“ geschaut. Materialien, Medien und Bücher haben wir gemeinsam begutachtet und beschafft. Interessant ist auch der Blick auf die Entwicklungsprozesse in der jeweils anderen Schule. Wir lernen so und erleichtern uns die Arbeit.
  • Als Gesamtschule bevorzugen wir natürlich heterogene Lerngruppen. Leistungsschwächere und leistungsstärkere Kinder lernen gemeinsam. Hier profitieren wir jetzt von methodischen Kompetenzen, die wir uns während der letzten Jahre systematisch erarbeitet haben. Kooperative Unterrichtsgestaltung macht die Organisation von Heterogenität deutlich einfacher.

Das hört sich ja vielleicht alles ganz gut an. Natürlich schauen wir bei neuen Entwicklungen der Schullandschaft kritisch und genau hin. Zur Zeit haben wir das Versprechen und den Eindruck, von Stadt und Land qualifiziert und ausreichend unterstützt zu werden. Das muss so bleiben! Leider gibt es Hinweise, die uns Sorgen machen. Offensichtlich ist die Zuweisung von Sonderpädagogenstellen nicht in ausreichendem Maß sichergestellt. Integrative Lerngruppen können aber nur dann funktionieren, wenn die notwendigen Rahmenbedingungen erfüllt sind. Und nur dann können und werden wir weitere integrative Lerngruppen einrichten. Wir erwarten also weiterhin:

  • Umfassende und substanzvolle Fortbildungen und Unterstützungsmaßnahmen für die bestehenden und zukünftigen Lehrerteams.
  • Weitere „integrative Lerngruppen“ müssen jeweils zu einer zusätzlichen, weiteren Einstellung eines Sonderpädagogen an unserer Schule führen.
  • Ausstattung, Medien und Materialien müssen bedürfnisgerecht und zeitnah bereitgestellt werden.
  • Weitere „integrative Lerngruppen“ dürfen das Problem der Raumknappheit in der EKS nicht verschärfen.

Wir freuen uns über spürbares Interesse an unserer konkreten integrativen Arbeit und würden sie gerne nachhaltig ausbauen.

Die Erich Kästner-Schule hat damit begonnen, sich in Richtung einer „inklusiven“ Schule zu entwickeln. Eine Schule für alle. Mit dieser plakativen Aussage haben wir Gesamtschulen ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal in die Öffentlichkeit getragen. Jetzt beschäftigen sich alle Schulformen mit Inklusion. Auch die Gymnasien und Realschulen. Entwickeln sich dann bald alle Schulen zu „Schulen für alle“ ?